Blickfang oder Barriere? Was Messestände anziehend macht – und was nicht

ORGATEC 2022 | Aussteller: Camira (Design: raumkontor, Foto: Hans Jürgen Landes)
Die Messehallen öffnen ihre Tore und im besten Fall strömen die Besucher:innen direkt zu Ihrem Stand. Doch was entscheidet in den ersten Sekunden darüber, ob sie an Ihrem Stand verweilen oder weiterziehen? Ist es das Standpersonal, das Design oder die Inszenierung Ihrer Produkte? In diesem Artikel legen wir den Fokus auf die Psychologie des ersten Eindrucks und werfen einen genaueren Blick auf die (No)Gos, auf die Sie achten sollten.
»Wenn der Stand aussieht wie ein Tante-Emma-Laden, fragen wir uns schon, ob das Produkt dann auch gut ist.« — Christiane Will, MÄCKLER Architekten
Lage, Lage, Lage
Ein optimales Standkonzept beruht auf mehreren Säulen. Die strategische Vorbereitung dazu behandeln wir ausführlich in unserem Praxis-Guide. Ein ebenso entscheidender Faktor, den wir hier betrachten, ist die Lage, die oft vom Budget beeinflusst wird. Prominente Plätze sind deutlich teurer als die Randbereiche, aber ein abgelegener Standort birgt das Risiko, dass Besuchende schlichtweg an Ihnen vorbeilaufen. Überlegen Sie daher gut, ob ein Randplatz wirklich sinnvoll ist, oder ob eine mittlere Kategorie langfristig strategisch die bessere Wahl ist.
Das diffuse Bauchgefühl
Der erste Eindruck ist oft intuitiv. Besuchende möchten sich eingeladen, aber nicht bedrängt fühlen. Eine offene Standgestaltung trägt maßgeblich dazu bei. Hier einige konkrete Tipps:
- Offene Gestaltung: Setzen Sie auf transluzente Materialien oder fließende Stoffe, um Räume zu schaffen, ohne sie abzugrenzen.
- Einbahnstraßen vermeiden: Vermeiden Sie starre Wegeführung und geben Sie den Besuchenden die Freiheit, sich selbstständig zu orientieren.
- Ruhezonen einplanen: Schaffen Sie Bereiche, in denen sich die Besuchenden ganz bewusst zurückziehen und sich erholen können vom trubeligen Messegeschehen.
- Orientierungshilfen: Schaffen Sie ein intuitives Wegeleitsystem innerhalb Ihres Messestandes. Für größere Stände bieten visuelle Hinweise wie Wegweiser oder Farbcodierung (Boden, Wand, Decke) eine intuitive Navigation. Logisch strukturierte Produktbereiche mit klar lesbaren Beschriftungen unterstützen ebenfalls. Einige Hersteller sortieren ihre Produkte beispielsweise in thematischen Inseln, die durch kurze Wege intuitiv miteinander verbunden sind. Auch ein gut sichtbarer Infopunkt mit digitaler Karte kann ein guter Ausgangspunkt für die Erkundung des Messestandes sein.
Case Study: Ein Blickfang kann auch minimal sein – Geberit auf den Design Days 2023
Dass auch ein zurückhaltender Stand zum Blickfang werden kann, beweist Geberit auf den Design Days 2023 in Katowice. In Zusammenarbeit mit hanczar studio wurde ein puristisches Konzept realisiert, das Licht als zentrales Gestaltungselement in den Mittelpunkt stellte. Die vollständig in Blau gehaltene Installation präsentierte das Produktportfolio auf einer verspiegelten Oberfläche, die den Raum optisch erweiterte und eine ruhige, einladende Atmosphäre schuf. Der Stand überzeugt durch seine klare und offene Gestaltung, die den Besuchenden Orientierung und Bewegungsfreiheit ließ. Ressourcenschonung und Wiederverwendbarkeit wurden bei diesem Konzept groß geschrieben: Der Stand ist modular gestaltet und mit minimalem Materialeinsatz und geringem Transportaufwand an verschiedenen Orten erneut genutzt werden. Die Ausstellung kam unter anderem bei der Konferenz »Shigeru Ban and Architecture for Refugees« in Warschau zum Einsatz. Und trotzdem – oder gerade deswegen – bleibt er in Erinnerung.

Boutique oder Gated Community?
Ein Messestand ist wie eine Boutique. In unseren Tiefeninterviews haben wir herausgefunden, dass Exklusivität aber auch abschreckend wirken kann und das gilt es zu vermeiden. Die Besuchenden sollten sich frei orientieren können, ohne das Gefühl zu haben, beobachtet zu werden. Klare Leitsysteme helfen dabei, dass Besuchende sich selbst zurechtfinden und den Stand ohne Druck erkunden können. Gleichzeitig sollte der Stand aber auch genügend Raum bieten, damit niemand das Gefühl hat, sich durch enge Passagen quetschen zu müssen.
Interaktive Elemente können dabei helfen, den Erstkontakt zu erleichtern. Bewegliche Installationen, wie ein Roboter, der ein Produkt präsentiert oder kleine Demonstrationen durchführt, ziehen die Blicke auf sich. Auch Produkt-Mockups, wie beispielsweise ein maßstabsgetreues Fensterprofil, machen komplexe Themen »anfassbar«.
»Ich finde es unangenehm, wenn mehr Personal an einem Messestand anwesend ist als Kundinnen und Kunden.« — Christine Klug, assmann gruppe
Übrigens spielt auch die Anzahl und die Positionierung des Messestand-Teams eine wichtige Rolle.
Verteilen Sie das Team gleichmäßig, statt es in Gruppen stehen zu lassen. Einzelne, offen stehende Mitarbeiter:innen, die freundlich begrüßen, wirken einladender als Cluster. Und wie viel Personal brauche ich pro Messestand? Als grober Richtwert gilt: Eine Person pro 5-15 Quadratmeter. Die genaue Anzahl hängt jedoch stark vom Konzept ab: Kleine Stände, wie beispielsweise auf der Architect At Work, sollten von maximal zwei Personen betreut werden. Ein 30 Quadratmeter großer Stand kann – je nach Thema – auch drei bis vier Personen sinnvoll einbinden.
»Warum gibt es auf Messen immer noch so viele Herren im klassischen blauen Anzug mit roter Krawatte? Das wirkt auf mich eher abschreckend.« — Wiebke Ahues, LXSY
Der Einfluss von Kleidung
Die Kleidung des Messestands beeinflusst den ersten Eindruck. Wie Wiebke Ahues treffend beschreibt, wirken traditionelle Messe-Outfits wie Anzüge mit roter Krawatte oft distanziert und unnahbar.. Besonders der weibliche Anteil der Besuchenden fühlt sich häufig von zu formeller Kleidung abgeschreckt. Stattdessen sollte die Kleidung zur Markenbotschaft und Zielgruppe passen. Möchten Sie nahbar und sympathisch auftreten oder doch eher eine professionelle Distanz wahren? Die Kleidung Ihres Messeteams kann hier einen großen Einfluss drauf haben. Und damit meinen wir nicht, dass alle einen schwarzen Rollkragenpulli tragen müssen, um den pauschalen Designansprüchen der (Innen-)Architekt:innen gerecht zu werden. Wichtig ist vor allem, dass sich das Team wohlfühlt und nahbar wirkt.
Fazit
Der Erste Eindruck entscheidet darüber, ob Besucher:innen an Ihrem Stand verweilen oder weiterziehen. Eine offene, intuitive Standgestaltung wirkt einladend, während Barrieren oder zu viele Mitarbeitenden an einem Ort abschrecken. Auch die Kleidung und Präsenz Ihres Teams spielen eine wichtige Rolle: Nahbare Outfits und eine freundliche Ansprache wirken sympathischer als zu formales Standpersonal. Und nicht zuletzt: Weniger ist oft mehr. Minimalistische Stände wie der von Geberit zeigen, dass Zurückhaltung zum absoluten Eyecatcher werden kann.