Wunsch und Wirklichkeit: Was (Innen-) Architekt:innen 2026 von Messen erwarten

Foto: Nick Wolff
Die Erwartungen von (Innen-) Architekt:innen an Messen haben sich spürbar verändert. Unsere Befragung von über 100 Planer:innen zeigt: Gesucht sind relevante Inhalte, haptische Produkterlebnisse und echter fachlicher Austausch.
Wie oft sprechen Bauprodukthersteller im Vorfeld einer Messe mit Planer:innen, um ihre Erwartungen und Wünsche zu verstehen? Vermutlich viel zu selten. Dabei könnten genau diese Insights darüber entscheiden, ob Ihr Messestand überzeugt oder übersehen wird. Unsere Interviews im Rahmen des Praxis-Guides zeigen: Planer:innen haben klare Erwartungen und wünschen sich vor allem eins: Relevante Inhalte statt Selbstinszenierung.
»Ich habe noch nie einen Architekten gesehen, der sich freiwillig 10 Minuten vor einen Bildschirm stellt, um ein Image-Video zu schauen.« – Lutz Hammer, RECKLI
Relevanter Content statt Image-Videos
Lutz Hammer von RECKLI trifft mit seiner Aussage einen wunden Punkt. Image-Videos werden auf Messen und auch im Web oft zur Selbstinszenierung genutzt, allerdings mit fraglichem Erfolg. Die meist minutenlangen Clips wirken selten inspirierend oder informativ, sondern eher wie ein Eigenlob in Dauerschleife. Und genau das wollen Messebesucher:innen nicht. Auf einer lauten, dynamischen Messe rücken stattdessen der direkte Kontakt und das Ausprobieren von Produkten in den Fokus.
Welche Themen sind wirklich interessant?
Nachhaltigkeit und ökologische Baustoffe (80,3 %), gefolgt von Bauprodukten und Materialien (73,3 %) und Design- und Architekturtrends (73,7 %) sind die häufigsten Interessen der Planer:innen. Die geringe Relevanz von Themen wie BIM (28,9 %) oder Smart Building (11,8 %) deutet darauf hin, dass diese Inhalte für viele auf Messen nicht ausreichend „greifbar“ oder schlicht zu technisch für klassisch ausgebildete Planer:innen sind.
Die Interviews bestätigen den Eindruck aus der Umfrage: Timm Helbach von mamuth beschreibt die ideale Messe als eine Mischung aus tiefen und niederschwelligen Themen, die am besten interaktiv und haptisch erlebbar sind. Schließlich sind fast alle Messebesucher:innen genau deshalb vor Ort: Um Produkte anzufassen, auszuprobieren und im Dialog konkrete Lösungen für ihre Projekte zu finden.
Die vier zentralen Erwartungen
Die Erwartungshaltung der Planer:innen lässt sich anhand unserer Gespräche und der Umfrage in vier übergeordnete Bereiche einteilen.
1️⃣ Produktinfos statt Marketingfloskeln
Planer:innen kommen nicht für lange Image-Videos oder vollgestopfte Produktkataloge auf Messen. Sie wollen Produkte sehen, anfassen und bewerten. Der Fokus liegt darauf, Inspiration für die Materialbibliothek zu sammeln und konkrete Updates für ihre Projekte mitzunehmen.
»Wenn ich eine Messe besuche, erwarte ich konkrete Produkt-Updates und Inspiration für unsere Materialbibliothek.« – Wiebke Ahues, LXSY
2️⃣ Kontakte knüpfen und Beziehungen stärken
Einige Planer:innen sehen Messen als gute Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende Beziehungen zu stärken. Besonders geschätzt wird es, wenn Hersteller proaktiv, aber nicht aufdringlich auf sie zugehen. Auch für die eigene Projektakquise werden insbesondere Messen wie die EXPO Real in München oder die MIPIM in Cannes immer wichtiger.
3️⃣ Wissen tanken, aber gezielt
Panels, Fachvorträge und Workshops bieten auf Messen großes Potenzial, sind aber nur dann attraktiv, wenn sie gut kuratiert oder mit namhaften Speaker:innen besetzt sind. Inhalte mit klarem Praxisbezug oder übergeordneten Branchenthemen ziehen die Zielgruppe an, während oberflächliche Impulse oder Werkvorträge eher abschrecken, da die Zeit besser genutzt werden kann, um sich die Themen in gleicher Zeit selbst anzueignen.
»Ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm auf Messen ist spannend. Allerdings passen Vorträge mit wenig Informationsgehalt nicht zur schnellen Taktung des Formats. In 45 Minuten kann ich gezielt Informationen auf der Messe sammeln, statt einem weniger dichten Vortrag zu folgen.« – Sebastian Schuster, SCHMIDTPLOECKER
4️⃣ Atmosphäre ohne Verkaufsdruck
Messen werden von vielen Befragten vor allem deshalb geschätzt, weil sie Raum für Begegnung und lockere Gespräche bieten. Wenn der Fokus zu stark auf reinen Verkaufs- und Marketinggesprächen liegt, leidet die Stimmung spürbar. Planende suchen das Gespräch lieber mit Projektentwickler:innen und Produktingenieur:innen, die fachlich fundiert auf ihre Fragen eingehen und weniger mit Vertriebler:innen, die auf schnelle Abschlüsse abzielen.
Wandel in der Erwartungshaltung
Die Bedürfnisse der Planer:innen haben sich laut Umfrage spürbar verändert. Fünf zentrale Entwicklungen lassen sich ableiten:
⏳ Zeiteffizienz: Weniger aber gezieltere Messebesuche
Regionale und kuratierte Formate wie die polis Convention oder das Heinze Klimafestival punkten durch Fokus und Erlebnis.
📱 Digitale Integration: QR-Codes und digitale Tools ersetzen Print
QR-Codes und virtuelle Präsentationen ergänzen physische Erlebnisse. Digitale Tools erleichtern die Orientierung schon im Vorfeld der Messe und steigern den Nutzen des Messebesuchs.
🌱 Nachhaltigkeit: Kein Extra, sondern Grundvoraussetzung
Es geht nicht nur um nachhaltige Produkte, sondern auch um die Transparenz des gesamten Messeauftritts in Sachen Umweltverträglichkeit oder Recyclingfähigkeit. Greenwashing wird deutlich häufiger identifiziert und kategorisch abgelehnt.
💬 Fachlicher Austausch: Mehr Dialog, weniger Produktschau
Statt einer breiten Produktpräsentation des gesamten Portfolios suchen Besucher:innen spezifische Lösungen für Projekte. Interaktive Formate wie Panels oder Workshops sind zunehmend beliebter als statische Auftritte.
🍻 Flexiblere Formate: After-Work-Events statt starrer 9-to-5-Messen
Formate, die besser in den Arbeitsalltag passen, sind gewünscht und gewinnen an Bedeutung. Viele wünschen sich Messeerlebnisse und -events über die Arbeitszeit hinaus.
Hej Praxis-Tipp
Nutzen Sie Vertriebsgespräche, um herauszufinden, was Planer:innen sich von Ihnen und Ihrer Messebeteiligung wünschen und welche Themen sie wirklich interessieren. Diese Mini-Marktforschung erfordert wenig Aufwand, bringt aber großen Nutzen. Und zeigt Ihrer Zielgruppe, dass ihre Erwartungen und Anforderungen für Sie relevant sind.
Kurz gesagt:
Die Erwartungen der (Innen-)Architekt:innen an Messen sind klar: Sie suchen relevante Inhalte, Produkte, die inspirieren und echten fachlichen Austausch ohne Verkaufsdruck. Produkte müssen »begreifbar« sein und das Potenzial bieten, in der Materialbibliothek zu landen. Statt starrer Tagesformate von Messen gewinnen After-Work-Events und flexiblere Formate an Bedeutung, da sie sich besser in den Arbeitsalltag integrieren lassen.




